Montag, 20. September 2010

Götterdämmerung

Mittlerweile hab ich mir angewöhnt, jeden Tag einen Abendspaziergang zu machen. Das hat viele Vorteile! Zum einen hab ich die Möglichkeit, nötige Besorgungen zu machen, ein Dose indische Cola "Thumbs Up" zu trinken um dem Durchfall vorzubeugen (Es klappt!!) und natürlich um mich zu Bewegen ohne angestarrt zu werden, den es ist ja dunkel. Da Luis das gröbste überstanden hat, kam er auch mit, war er doch latent krank die letzten Tage.
Aber heute war es ein bisschen anders als sonst...

Puja! Wie bereits erwähnt ist die Ganesh Chaturthi bereits im Gange, doch sein Geburtstag ist erst am Mittwoch. Dennoch fangen die Leute bereits an zu feiern. Wir gingen die Strasse runter und die Nacht wurde regelmäßig taghell beleuchtet durch Blitze eines weit entfernten Gewitters. An der Hauptstrasse konnte man aus zwei verschiedenen Richtungen Trommeln hören. WIr liefen zum Supermarkt, denn ich brauchte noch Aftershave und Schokolade. Bei der grossen Mall stand ein Traktor, der eine zwei Meter grosse Statue des Elefantengottes hinter sich zog. Davor eine Gruppe Trommler die sofort mein Interesse weckten. Die spielten irgendein polyrhythmisches Zeug, regelrecht "würzig" (ein Adjektiv, was man hier durchaus öfter benutzen kann hehe).
Daneben war einer Gruppe Hindus mit orangenen Stirnbändern die sich in einer Weise zu der hypnotisierenden Musik bewegten, die fern ab von von Disco und Bollywood ist, was sonst der Fall ist. Ein sehr schöner Anblick im Halbdunkeln, bis einer dem Männer wortwörtlich aus der Reihe tanzte und beinahe ein Schlägerei provozierte. Wir entschieden, in den Supermarkt zu gehen.

Der Rückweg gestaltete sich schwieriger als sonst. Eine grosse Strasse müssen wir auf dem Rückweg überqueren. Diese ist dreispurig, was in Indien aber als fünfspurig gilt. Diese war heute rappelvoll und meine alltägliche Gelassenheit verließ mich doch, aus Angst, der allgemeine Rausch könnte Hemmung vor Unfällen mindern.
Plötzlich tauchte neben uns ein alter Sadhu - ein alter Weiser Hindu - auf. Er trug eine orangene Robe und ein blaues Tuch, knallige Farben. Dazu einen Beutel und einen goldgefärbten Wanderstock. Ein langer grauer Bart und lange grauer Haare mit einem kleinen Dutt zierten seinen dunklen faltigen Kopf. Er war so in den Siebzigern, seine Ausstrahlung hätte im aber auch erlaubt, sich 300 Jahre alt zu schimpfen. Diese Männer gelten in Indien als heilig, so die Übersetzung Sadhu, und entsprechen dem westlichen Stereotypen "Guru". Er blickte zu mir auf und brabbelte irgendwas in einer Sprache die kein Mensch verstand. Diese Leute pflegen es, Jahrzehnte lang von Pilgerstätte zu Pilgerstätte zu pilgern. Er hätte als auch aus dem Himalaya kommen können oder aus Südindien - wer weiß das schon. Aber er hatte was auf dem Kasten!
Er wollte über die selbe Strasse und wir trafen uns in der Mitte. Mit der Eleganz eines gelähmten Maulwurfs wackelte er über die Strasse ohne auch nur eine Notiz von den 4 Millionen Autos zu nehmen deren Wege er scheinbar gar nicht kreuzte. Wesentlich schneller als wir kam er über die Strasse und schlug den selben Weg ein wie wir.
Als er dies bemerkte, drehte er sich erneute zu uns und fing erneut an zu brabbeln. Er machte eine Geste, die ich beinahe erwartet hab: Er bettelte nicht, wie die meisten (hier ofts Leute mit abgetrennter Hand), um Geld, sondern um Essen. Aus lauter Ehrfurcht gab ich ihm mein gerade erstandenes KitKat, was ihn zufrieden stellte. Leider hab ihn damit auch als Hochstapler entlarvt, den ein richtiger Sadhu entsagt jeglichem Genuss. Sei's drum.

Das Gewitter, das Getrommle, die Tänzer, der Sadhu - All das zeigt mir erneut, wie viel Magie und Mystik in diesem Ort steckt, selbst wenn es sich um eine hektische Riesenmetropole handelt. Mich hat's fasziniert!

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